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„Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) ist ein Chefarzt-Verband!“

Dieses Menetekel haftete dem BDC aus der Sicht mancher niedergelassener Chirurgen über viele Jahre an. Vom BDC wurde dies natürlich stets zurückgewiesen und diese Behauptung war auch niemals in Zahlen oder Taten zu belegen. Gleichwohl war dies über viele Jahre das polemische Argument für spalterische Aktivitäten von berufspolitischen Rivalen.

Niedergelassene Chefärzte Gesamt
per 31. 12.2002 2290 1788 13992
per 30.10.2003 2292 1818 14294
per 30.10.2004 2360 1822 14627
per 30.10.2005 2407 1838 14848
per 30.10.2006 2432 1863 15006
per 16.10.2007 2469 1878 15319
per 14.10.2008 2489 1903 15538
per 14.10.2009 2475 1950 15701
per 28.02.2010 2466 1930 15633

An den Führungspersönlichkeiten kann es eigentlich nicht gelegen haben. Immerhin war der langjährige Präsident (1962-1982) des BDC in den Gründungsjahren Prof. Wolfgang Müller-Osten ein niedergelassener Chirurg. Aus den Sitzungsprotokollen und der Chronik des BDC ist zu entnehmen, dass schon immer vor allem die Honorar-Situation der Niedergelassenen regelmäßig auf der Agenda standen. Die strukturelle und finanzielle Förderung der ambulanten Operationen wurde schon seit den siebziger Jahren regelmäßig vom damaligen Präsidiumsmitglied Dr. Kurt Fritz propagiert. Kein neues Thema also und noch immer aktuell. Auch heute zählt mit Dr. Jörg Rüggeberg einer der bekanntesten und profiliertesten Vertreter der niedergelassenen Fachärzte zu den Auguren des Berufsverbandes. Gemeinsam mit Dr. Hans-Hinnerk Felsing, der später erster hauptamtlicher Geschäftsführer des BDC wurde, kämpfte Rüggeberg schon seit Anfang der 90er Jahre für die beruflichen Interessen der Chirurgen in der Praxis. Bereits 1991 wurde ein Arbeitskreis „Ambulantes Operieren“ im BDC gegründet.

Es müssen also zusätzliche äußere Faktoren gewesen sein, die seit 1995 zu zunehmender Unzufriedenheit der im BDC organisierten niedergelassenen Chirurgen führten. Tatsächlich kam es in diesen Jahren zu einer drastischen Verschlechterung der Honorarsituation der niedergelassenen Vertragsärzte im Allgemeinen und der niedergelassenen Chirurgen im Besonderen. Steigende Arztzahlen führten zu vermehrtem Wettbewerb und Zulassungsbeschränkungen ab 1993 zu zusätzlichem Verdruss. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich (das Thema ist augenscheinlich ein Dauerbrenner) die vollkommen misslungene Honorar-Reform des EBM 96 und die daraus resultierende Notfallmaßnahme der Budgetierung. Es ist bemerkenswert und einigen Kollegen vielleicht schon nicht mehr präsent, dass das Konstrukt des Honorar-Budgets  ursprünglich nur als Provisorium für einige Quartale konzipiert war, dann aber mehr als ein Jahrzehnt überdauerte, schließlich erst mit der aktuellen Reform der Gebührenordnung im Januar 2009 beseitigt werden konnte. Die Aufhebung der Budgets und die Abkopplung der Gesamtvergütung von der Entwicklung der Grundlohnsumme mit der aktuellen Honorar-Reform stellen ganz wesentliche Verbesserungen dar, deren strukturelle Bedeutung vielfach im Getümmel von realen oder irrealen Verlustängsten untergegangen ist.

Im Jahr 1996 war Rüggeberg erstmals mit einer Seminarreihe zum EBM 96 durch die Republik unterwegs, um die schlimmsten Auswirkungen für die Chirurgen abzumildern. Aber wie es schon in der Antike Usus war, wurde er von den Gegnern des BDC als der Überbringer schlechter Nachrichten zu Unrecht für diese verantwortlich gemacht.

Schon damals wurden übrigens die völlig unzureichenden Röntgen-Budgets bemängelt, auch von unserer Gemeinschafts-praxis, wie der Schriftverkehr mit dem damaligen Präsidenten Prof. Karl Hempel zeigt. Unter maßgeblicher Beteiligung des BDC gelang es damals, zumindest eine Aufstockung für die niedergelassenen Unfallchirurgen zu erreichen.

KNIC – Konvent Niedergelassener Chirurgen im BDC

Das wachsende Engagement des BDC für die Niedergelassenen führte zur Gründung des KNIC, der seine erste Jahrestagung mit großer Resonanz am 01. und 02. Juni 1996 in Würzburg abhielt. Regelmäßige KNIC-Rundschreiben informierten die niedergelassenen Kollegen in der „Prä-Internet-Ära“ über aktuelle berufspolitische Entwicklungen. Die jährlichen KNIC-Tagungen wurden ab 2001 in den Chirurgentag integriert, bei dem nunmehr traditionell am Sonnabendvormittag die Themen der Niedergelassenen im Blickpunkt stehen. In das Jahr 1998, unter der Präsidentschaft von Jens Witte, fällt die Einführung des Referate-Systems im Präsidium des BDC, sodass seitdem die Niedergelassenen satzungsgemäß mit Sitz und Stimme in diesem Gremium vertreten sind.

In diese Zeit fällt auch der Beginn meiner berufspolitischen Aktivitäten für den BDC. 1998 trat ich als Landesvorsitzender in Niedersachsen die Nachfolge von Dr. Jürgen Bauch an, der im gleichen Jahr zum BDC-Vizepräsidenten gewählt wurde. Meine ersten Erfahrungen wurden sogleich durch einen Eklat geprägt: Niemals werde ich die aggressive und zum Zerreißen angespannte Atmosphäre vergessen, als anlässlich der BDC – Präsidiumssitzung  in Leipzig im gleichen Jahr der letzte vergebliche Versuch unternommen wurde, den 1996 in Köln neu gegründeten BNC als weitgehend autarken Teil in den Strukturen des BDC zu belassen bzw. zu integrieren.

Es steht außer Frage, dass der BDC als Ganzes die niedergelassenen Chirurgen auch damals und zu jeder Zeit kompetent vertreten hat. Genauso evident ist es aber auch, dass dies offenbar nicht allen betroffenen Mitgliedern vermittelbar war. Ein Rückblick ist auch immer eine Gelegenheit zu analysieren, was man damals hätte besser machen können. Aus heutiger Sicht muss als entscheidendes Manko des BDC zu dieser Zeit die teilweise fehlende Regionalisierung der Vertretung der Niedergelassenen angesehen werden. Zwar hatte der BDC immer schon Landesverbände in allen Kammer-Bereichen. Deren Besetzung und Aktivitätsniveau war jedoch mehr oder weniger arbiträr. In einzelnen Landesverbänden waren die Vorsitzenden Niedergelassene und auf dieser Ebene ausgesprochen aktiv und erfolgreich, z. B. im Saarland mit Dr. Rudolf Blandfort, im Rheinland mit Dr. Ekkehard Hierholzer, in Baden Württemberg mit Dr. Jacky Reydelet und in Niedersachsen mit Dr. Jürgen Bauch und später in meiner Person. Andererseits konnte es auch vorkommen, dass in einzelnen Landesverbänden überhaupt keine Niedergelassenen in der Führungsspitze vertreten waren.

Da aber gerade die regionalen Verhältnisse für niedergelassene Chirurgen in den verschiedenen KV-Bereichen stark variieren, war durch eine zentral aus Hamburg und später aus Berlin organisierte Interessenvertretung keine ausreichende Präsenz vor Ort gewährleistet. Die hohe Akzeptanz der regionalen Arbeitsgemeinschaften Niedergelassener Chirurgen (ANCs) spricht dazu Bände.

Die aktuelle Struktur des Referates Niedergelassene Chirurgen (RNC) im BDC

Aus dieser Erkenntnis heraus schaffte der BDC – gefördert vom Präsidenten Prof. Michael Polonius – einen grundlegenden strukturellen Wandel. Auf der Mitgliederversammlung 2006 wurde eine ganz wesentliche Satzungsänderung beschlossen, die neben der inhaltlichen jetzt auch die satzungsgemäße Vertretung der Niedergelassenen auf „Augenhöhe“ gewährleistet. Zusätzlich zu den Vorsitzenden der Landesverbände wählen allein die niedergelassenen Mitglieder ihre Regionalvertreter, die gemeinsam auf der Bundesebene das „Referat Niedergelassene Chirurgen im BDC“ bilden. Diese Struktur spiegelt sozusagen die erfolgreichen ANCs wider und strebt mit diesen eine enge Kooperation auf regionaler Ebene an. In einigen Bereichen (z. B. Hamburg, Rheinland, Berlin, Bayern, Westfalen-Lippe) bestehen bereits personelle Verflechtungen. Auf der Bundesebene wurde 2009 zwischen BNC und BDC eine Empfehlung für eine weitreichende Kooperation der ANCs und der BDC-Regionalvertretungen bei Fortbildungsveranstaltungen verabschiedet. Durch die Einfügung des § 12 in die BDC-Satzung im Jahr 2006 hat sich das Gewicht der Niedergelassenen im BDC deutlich erhöht. Die Wahl des Referatsleiters aus der Mitte der Regionalvertreter gewährleistet die lange angemahnte demokratische Legitimation dieser Position. Diese Position bekleide ich seit 2007 und ich kann resümieren, dass unser Referat sich in den letzten 2 Jahren zu einem aktiven und effizienten Gremium entwickelt hat. Seit 2009 sind in allen Ländern Regionalvertreter etabliert.

Obgleich bisher stets nach außen einvernehmliche berufspolitische Positionen des Präsidiums vertreten wurden und dies für die Zukunft auch stets angestrebt wird, würde die Satzung ggf. auch ein konfliktives Minderheitsvotum des Referates Niedergelassene Chirurgen abdecken. Ein eigenes Finanz-Budget für das Referat gewährleistet außerdem finanzielle Unabhängigkeit. Zusätzlich schreibt die neue Satzung seit 2006 im § 10.1 b)
vor, dass im Vorstand des BDC, bestehend aus Präsident und zwei Stellvertretern, mindestens einer davon ein niedergelassener Chirurg sein muss. Zurzeit füllt Rüggeberg als Vizepräsident diese Position aus.

Honorar ist nicht alles – Zukunftssicherung und Service

Alle Konzepte zu Reformen der Gebührenordnung wurden stets in Kooperation mit dem BNC und dem BVO (jetzt BVOU) formuliert und gegenüber der KBV und den Krankenkassen vertreten. So soll es auch in Zukunft sein.

Bei allen Diskussionen über die tatsächlich immer noch unbefriedigende Honorarsituation darf aber nicht vergessen werden, dass ein Berufsverband darüber hinaus vielfältige Aufgaben hat, die gepflegt und weiterentwickelt werden müssen. Die Kontakte auf der Leitungsebene mit dem BNC und dem BVOU haben weitere gemeinsame Initiativen zur Problemlösung auf den Gebieten Bedarfsplanung, Weiterbildungsordnung und Weiterentwicklung der Gebührenordnungen ermöglicht. Enge Kontakte zum Bundesverband der für BG tätigen Ärzte (BVBGÄ) und zu den wissenschaftlichen Fachgesellschaften DGU und DGOU gewährleisten, dass der BDC auch für die D-Ärzte und die zukünftigen Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie attraktiv bleibt.

Der BDC legt darüber hinaus ganz besonderen Wert auf seinen Service. Es kann kein Zufall sein, dass die Zahl der niedergelassenen Mitglieder des BDC über viele Jahre trotz der zahlreichen Kritiker kontinuierlich gestiegen ist. (Tab1). Gelegentlich wird kolportiert, dies sei nur so wegen der „guten Versicherungen über den BDC“. Das macht sicher nur einen kleinen Teil der Attraktivität aus, wirft aber doch ein Schlaglicht darauf, dass der BDC auch als kompetenter Service-Partner wahrgenommen wird.

Als zusätzliches Angebot speziell für Niedergelassene wurden in den letzten Jahren neben den stets gut besuchten und leider häufig notwendigen EBM-Seminaren weitere Seminare zur (UV-)GOÄ und zu betriebswirtschaftlichen Fragen sowie zum Qualitätsmanagement entwickelt. Darüber hinaus ist das Referat Niedergelassene Chirurgen fast täglich mit den verschiedensten individuellen Anfragen der Mitglieder zu den Bereichen Niederlassungsrecht, Kooperationen, Gebührenordnung, Qualitätssicherung etc. befasst. Dabei ist insbesondere die gute Zusammenarbeit mit unserem Justiziar Dr. Jörg Heberer von immenser Bedeutung. Der BDC vertritt seine Mitglieder auch in Musterprozessen vor den Sozialgerichten, wenn diese von allgemeiner Bedeutung sind.

Die zukünftige Vertretung der Niedergelassenen Chirurgen

In der Frage einer optimalen Vertretung wird immer wieder postuliert, nur eine „lupenreine“ Interessenvertretung der Niedergelassenen sei optimal, das bedeutet tendenziell konfrontativ zu den Krankenhausärzten. Obwohl dies im Einzelfall durchaus einmal notwendig sein kann, vertritt der BDC in dieser Hinsicht eine andere Zielrichtung und unterstützt die Entwicklung von kooperativen Strukturen zwischen Kliniken und Niedergelassenen durch Vereinbarungen auf Augenhöhe. Ich bin sicher, dass derartigen Versorgungsmodellen die Zukunft gehört. In den Ballungsgebieten dürften größere Berufsausübungsgemeinschaften gesuchte Kooperationspartner für die Krankenhäuser sein und im ländlichen Bereich wird man angesichts des drohenden oder teilweise schon eingetretenen Fachärztemangels gar nicht darum herumkommen, die verfügbaren fachärztlichen Kapazitäten in  kooperativen Einheiten ökonomisch sinnvoll einzusetzen. Das etwas abgegriffene Modell der „win-win-Situation“ soll hier nicht überstrapaziert werden, jedoch bieten sektorenübergreifende Kooperationen in der Zukunft nicht nur Krankenhäusern, sondern auch niedergelassenen Chirurgen reale Chancen auf eine befriedigende berufliche Tätigkeit unter angemessenen Bedingungen bezüglich Honorar und Arbeitsbelastung. Dabei wird der BDC stets seine Unterstützung im Hinblick auf die betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Gestaltungsfragen anbieten.

Wie lange es in der Zukunft weiterhin vielfältige Parallelstrukturen der berufspolitischen Vertretung der niedergelassenen Chirurgen geben wird, ist schwierig zu sagen. Stand für den BDC über viele Jahre das Ziel einer Fusion der Berufsverbände im Vordergrund, so wird aktuell vorwiegend eine enge Kooperation als Zwischenschritt angestrebt. Dabei sind wir mit dem BNC, dem BVBGÄ und dem BVOU auf einem guten Weg. Allein schon aus Gründen des rationellen Umgangs mit den personellen Ressourcen der ehrenamtlich Engagierten sollte im Grunde der sachlichen Kooperation in Zukunft auch eine strukturelle Zusammenführung folgen. Dabei spielen natürlich auch vielfältige Traditionen und das lange gewachsene Selbstverständnis der Verbände eine wichtige Rolle. Solange es die Mitglieder akzeptieren, hohe Beiträge an mehrere und teilweise parallel an den gleichen Themen tätige Interessenvertretungen zu bezahlen, wird man davon ausgehen müssen, dass sie sich davon eine höhere Effektivität versprechen. Dieser Vermutung stelle ich die These entgegen, dass ein gemeinsamer Berufsverband durch die Bündelung von Sachverstand und personellen Ressourcen weitaus effizienter arbeiten könnte.  Dabei kann man sich ein Beispiel an der Fusion der wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Orthopäden und Unfallchirurgen nehmen, die ich als Präsidiumsmitglied der DGU begleitet habe. Auch an der bereits fusionierten gemeinsamen Interessenvertretung der Leitenden Krankenhausärzte (VLOU) kann man sich orientieren.

Mein persönliches Ziel ist es, die Kooperation und die zunehmende Integration der chirurgischen Berufsverbände zu begleiten und wann immer möglich zu fördern. Die Interessenlage ist bei allen im Grunde die gleiche und es wäre im Sinne der Mitglieder ideal, die Kräfte zu bündeln. In einem gemeinsamen Berufsverband könnten bestimmte Aufgaben auf Spezialisten
z. B. für Honorar, Weiterbildung, Integrierte Versorgung, Fortbildung, Qualitätsmanagement etc. im Sinne von „Ministerien“ konzentriert und in höchst möglicher Tiefe bearbeitet werden. Die Ergebnisse würden dem gemeinsamen Ziel der optimalen berufspolitischen Vertretung der niedergelassenen Chirurgen zugutekommen.

Wenn ich oder mein Nachfolger zum 60-jährigen Bestehen des BDC dazu „Vollzug melden“ dürfte, wäre dies alle Anstrengungen im Ehrenamt wert gewesen.

Autor des Artikels

Profilbild von Kalbe

Dr. med. Peter Kalbe

Vizepräsident des BDCGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737Rinteln kontaktieren

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